Ich wollte schreien, doch aus meinem Mund kam kein Laut. Er bewegte sich auf mich zu und hob seine Hand, als ob er mir den Mund zuhalten wollte. Wie aus einem Reflex versuchte ich mit meiner Linken seine Hand abzuwehren und verletzte ihn mit dem Fleischmesser am Oberarm. Er fluchte und schrie und krümmte sich vor Schmerz. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Angst konnte ich kaum verbergen. Mein Atem zitterte vor Anspannung. Ich schubste ihn in Richtung Küche, keine Ahnung warum.

Er hinterließ auf dem Weg vom Flur in die Küche eine Blutspur; kleine Tropfen fielen unaufhörlich zu Boden. Was für eine Sauerei, dachte ich. Hatte ich doch erst gestern den Boden gründlich gewischt. Aber das würde er mir noch büßen müssen, das war klar.

Als ich so nachdachte, wurde ich ganz ruhig. Ich fuchtelte mit dem Messer umher und befahl ihm sich auf den Küchenstuhl zu setzen, was er auch tat. Mit den bereitgelegten Kabelbindern fesselte ich ihn am Küchenstuhl. Irgendwie sah er doch sehr bizarr aus, die einzelnen Gliedmaßen jeweils an einem Stuhlbein fixiert. Sein Oberkörper bog sich nach hinten, sein Kopf drehte sich zu den Seiten, als ob er einen Ausweg suchte. Er wimmerte vor Schmerz. Sicherlich könnte er sich mit der stark blutenden Wunde nicht so leicht befreien, was mir etwas Sicherheit verlieh.

Ich holte einen Putzeimer und Lappen. Diese elendige Sauerei da auf dem Küchenboden; so viel Blut. Das konnte ich unmöglich lassen. Mit dem Lappen wischte ich erst Mal das Blut auf und stellte dann den Eimer unter seinen blutenden Arm.

Während das Blut in den Eimer rann, dachte ich an meine Kindheit, an die Schlachttage auf dem Bauernhof. Wenn der Schuss des Schlachters nicht richtig saß, dann schoss das Blut des Schweines regelrecht aus seiner Nase und ich musste dann den Zinkeimer darunter halten, damit es für die Blutwurst aufgefangen wurde. Damals fand ich das interessant. Es gehörte dazu, also machte ich mir keine großen Gedanken; es war normal.

 

Nun, der Typ war ja kein Schwein. Ich konnte ihn ja schlecht verbluten lassen. Wie hätte ich seine Leiche loswerden sollen? Oder wie hätte ich das der Polizei erklärt?

„Glück gehabt“ rief ich ihm zu. Ich holte das Verbandszeug und legte einen wirklich schönen Druckverband an. Keine Ahnung, ob er den wirklich gebraucht hätte, aber sicher war sicher.

Nachdem ich nun ein paar klare Gedanken fassen konnte, wandte ich mich an ihn: „Warum bist Du hier? Wer hat Dich geschickt?

Hatte ich schon erwähnt, dass ich ein absoluter Krimi Fan bin?  Dieser Satz „Wer hat Dich geschickt?“ klang so nach Klischee; aber ich habe ihn mit einem kleinen Anflug von lächeln ihm zugeworfen.

Zum ersten Mal begann er zu sprechen. Er meinte, dass er hier nur einbrechen wollte, es ihm leidtäte und ich ihn doch einfach frei lassen sollte. Er würde mich auch ungeschoren davonkommen lassen, obwohl ich ihn verletzt hätte und das ja wohl Körperverletzung sei.

Ich fühlte mich zusehends in meinem Element. Ich tauchte ab in eine fast imaginäre Welt der Krimis.

 

„Das hättest Du wohl gerne. Das kommt aber nicht in Frage,“ entgegnete ich ihm.