Die Beschreibung, die sie in der Vermisstenanzeige angab machte den Kommissar hellhörig. Er blätterte verlegen in seinen Unterlagen und zerrte die Akte „Eichwald“ heraus, die seit einigen Wochen in Kopie an sämtliche Außenstellen im gesamten Bundesgebiet gingen.

Die Beschreibung könnte passen, murmelte er fast lautlos vor sich hin.

„Wie bitte?“ fragte Frau Ding.

„Wie heißt der Mann und in welchem Verhältnis stehen sie zu ihm?“ fragte Kommissar Gruber geistesgegenwärtig.

„Herr Salcik, Maresh Salcik ” antwortete die Vikarin.

“Herr Salcik  ist MFA.”

“MFA? fragte Kommissar Gruber ungläubig.

„Ja, wissen sie nicht, was das ist?“ schüttelte Frau Ding ungläubig ihren Kopf, während ein fast unsichtbares lächeln über ihre Wangen huschte.

 

„Nein, Frau Ding, was ist das?“ fragte Gruber eindringlich.

 

Martha lachte nun fast schelmisch. „Mädchen für alles!, Herr Kommissar , Mädchen für alles…“

 

„Ach so, ja natürlich, Mädchen für alles…“ antwortete Gruber.

 

„Er machte Besorgungen, hielt das Haus, den Garten und das Auto in stand, erledigte Botengänge, kümmerte sich einfach um alles, was so anfiel.“ erklärte sie mit einer jugendlichen Leichtigkeit.

 

„Was ist er denn für ein Mensch?“ wollte der Kommissar neugierig wissen.

 

„Was soll ich sagen, ein einfacher Mensch, ohne besondere Intelligenz, jedoch mit einer gewissen Verschmitztheit, die manchmal auf mehr schließen lässt, als man vermutet. Aber ob das wirklich so ist, kann ich Ihnen unmöglich beantworten„.

 

„Hat er Freunde, eine Freundin, Frau, Kinder, Haustiere, Familie, oder ähnliches?“ hakte Gruber dienstbeflissen nach.

 

„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“ antwortete ihm die Vikarin.

„Ich kenne Herrn Salcik nun seit etwa zwei Jahren, solange er für mich arbeitet. In dieser Zeit hat er sehr zurückgezogen gelebt. Ich habe nie irgendjemanden bei ihm gesehen.  Aber offengestanden schnüffle ich nicht in den Angelegenheiten anderer herum. Vielleicht hatte er Familie, wenn ja, dann habe ich nie etwas davon mitbekommen. Erzählt hat er grundsätzlich nie etwas persönliches von sich. Wie schon gesagt, er lebte sehr zurückgezogen.

Er bewohnte das Nebengebäude auf dem Anwesen. Es liegt etwa 500 Meter vom Wohntrakt entfernt am Waldrand. Ach doch, manchmal kam eine junge Dame, die ihm wohl den Hausputz erledigte, aber ich habe sie nie länger gesehen, vielleicht eine Stunde oder zwei und das auch nur alle 8 oder 14 Tage. Wer sie ist, oder wie sie heißt,  weiß ich leider nicht.“

 

Aber warum fragen sie das? wollte Martha wissen.

 

Nun, das kann ich ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, entgegnete ihr Kommissar Gruber.

Sehen sie sich bitte dieses Phantombild an. Ist das Herr Salcik?


„Ja, das könnte er sein. Es sieht ihm schon ziemlich ähnlich.

Was hat es denn damit auf sich? Hat er Schwierigkeiten? Braucht er Hilfe? Offengestanden mache ich mir große Sorgen.“  Antwortete die Vikarin mit einem ehrlich bestürzten Gesichtsausdruck.

 

„Später, Frau Vikarin, später…“ entgegnete der Kommissar vielsagend, oder vielmehr nichtssagend und viel ahnend.

 

„Warum haben sie Herrn Salcik erst jetzt vermisst gemeldet, wo er doch nach ihren Angaben schon seit November letzten Jahres verschwunden ist?“ bohrte der Kommissar nun misstrauisch.

 

„Nun, Herr Gruber, Maresh sagte, er bräuchte eine Auszeit, er müsse noch ein paar wichtige Dinge erledigen und bräuchte 3 Monate Zeit hierfür. Sie müssen wissen, dass er immer sehr zuverlässig war. Nie hat er auch nur einen Termin verpasst, nicht einmal zu spät kam er.

Als er nach 3 Monaten nicht auftauchte, machte ich mir Sorgen. Ich versuchte in Erfahrung zu bringen, wohin er wohl gegangen sei. Ich ging also in das Nebengebäude und suchte nach irgendwelchen Dingen, die Aufschluss darüber geben könnten, wo er abgeblieben sein könnte. Doch Fehlanzeige. Nichts, rein gar nichts.

Als nach weiteren zwei Wochen noch immer keine Nachricht von ihm eintraf und er noch immer unauffindbar war, durchstöberte ich ein zweites Mal seine Habseligkeiten. Da fiel mir auf, dass seine Uhr und sein Ausweis noch da waren. Er ging nie ohne seine Uhr irgendwohin. Er legte allergrößten Wert auf Pünktlichkeit müssen sie wissen.

 

Da hatte ich so meine Zweifel und kam zu ihnen“.

 


„Sehr gut, Frau Vikarin Ding, sehr gut“, wiederholte Gruber.

 

„Frau Ding, wir müssen die Wohnung von Herrn Salcik durchsuchen. Es ist ihnen doch recht, oder?“

 

„Ja, selbstverständlich, wenn es der Sache dient, gerne.“

 

Kommissar Gruber leitete alles in die Wege. Zwei Stunden und ein Gespräch mit dem leitenden Hauptkommissar von Mannheim später, traf die Spurensicherung, Beamte der Sonderkommission und eine Menge Streifenpolizisten im Anwesen der Vikarin ein.

Wie eine Horde Heuschrecken fielen sie über das eher bescheiden anmutende Gebäude aus der Vorkriegszeit her.

Nichts, aber auch nicht das Geringste blieb unberührt.